Ich habe mir anlässlich des Jahrestags des Mauerfalls ein paar Gedanken gemacht.
Ja, mir ist es schon wichtig, an das, was da passiert ist, zu denken. Es ist ein Teil der Geschichte dieses Landes, ein bedeutender sogar.
Ich wohne nicht im Osten, weil ich es hier toller finde, weil ich nicht im Westen leben mag, weil ich was vom Soli haben will, weil ich überzeugter Ossi wäre. Nö. Ich wohne im Osten, weil es sich so ergeben hat. Zufällig wurde ich hier außerdem noch geboren.
Vor fast 30 Jahren. Vor 20 Jahren war ich also noch nicht wirklich "groß". Ich weiß noch, wie ich damals als ziemliche Knirpsin vor dem Fernseher saß, und Schabowski sagte diese wohlbekannten Worte. Ich weiß auch noch, dass ich meine Eltern fragte, was das denn heiße. Denn für mich als Kind war es damals etwas, das ich nicht nachvollziehen konnte. Dass etwas Großes passiert, das habe ich mitbekommen, der "schnelle Wechsel" der "wichtigen Menschen da oben", das war etwas, das mich verwunderte. "Chef der DDR" war doch, für mich, immer Honecker gewesen, andere gab es in meinem Empfinden da kaum. Manchmal läuft es mir kalt den Rücken runter, wenn ich daran denke, was da vor 20 Jahren so alles passiert ist, was für einen Riesendusel wir doch alle hatten. Wie haarscharf das alles ausgegangen ist und wie böse es hätte ausgehen können. Und dann sitze ich da, habe Gänsehaut bei dem Gedanken daran und wahnsinnige Dankbarkeit im Bauch, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Und nicht schlimmer.
Es ist gut, was passiert ist. Die Umsetzung hatte Macken, so richtig rund läuft noch nicht alles. Oder vieles nicht. (Aber das ist ein ganz anderes Thema.) Ich weiß, dass die Wende, die Wiedervereinigung mir sehr viel Gutes gebracht hat. Manchmal umtreibt mich schon der Gedanke, was aus mir geworden wäre, wenn es die DDR noch gäbe (aber das sind Gedankengänge, bei denen es zwecklos ist, sie allen Ernstes weiter zu verfolgen). Aber ich möchte die DDR keinesfalls zurück. Ich möchte die Erfahrungen, die ich als Kind dort gemacht habe, nicht missen. Und ich kann nicht behaupten, dass die DDR für mich sonderlich negativ gewesen wäre. Aber ich war Kind, ich kannte es nicht anders, ich konnte es noch nicht großartig reflektieren. Mir haben, um im Klischee zu sprechen, keine Bananen und kein Westfernsehen gefehlt. Ich kannte es nur so, wie es war.
Im Spiegel 43/09 fand ich einen interessanten Artikel über Schüler aus dem letzten Abiturjahrgang der DDR. Zwei Zitate daraus haben mich sehr zum Nachdenken gebracht, treffen zum Teil genau den Punkt, den ich auch empfinde, aber so nicht in Worte fassen konnte.
"Ich habe meine Wurzeln in der DDR, ich bin zu Hause in Deutschland. Ich möchte auf beides nicht verzichten. Ich habe weder eine DDR-Identität gehabt noch eine BRD-Identität erlangt. Vielleicht bin ich heute ein Gesamtdeutscher mit sozialistischem Migrationshintergrund."
Ja. Ich, so bilde ich mir ein, unterscheide nicht zwischen "Ossi" und "Wessi". Woher die Person kommt, die mir da gerade sehr sympathisch oder sehr unsympathisch oder auch einfach nur herzlich wurscht ist, ist für mich nicht uninteressant, aber mir ist niemand per se sympathischer, weil er aus dem Osten kommt, bzw. per se unsympathischer, weil er aus dem Westen kommt. Ich unterscheide ja auch nicht zwischen "Nordis" und "Südis". Mich interessiert die Herkunft, weil Deutschland ein so herrlich vielseitiges Land mit so vielen Facetten ist und ich die verschiedenen Regionen dieses Landes reizvoll finde.
Manchmal bezeichne ich mich selbst scherzhaft und ironisch als "Ossi". Aber wirklich als Bezeichnung, um jemanden in eine bestimmte Sparte "Mensch" zu packen, dafür sind mir diese Kategorien egal. Und ich finde, ich darf das über mich selbst sagen, aber jemand anderen so zu bezeichnen oder von jemand anderem so tituliert werden? Nein danke.
"Mein Ostgefühl zeigt sich oft in dem Wunsch nach einem würdigen ostdeutschen Repräsentanten. Ich sehne mich nach jemanden, der in den Fernsehstudios sitzt und einem nicht peinlich ist. Mein altes Land ist tot, ich habe kein Heimweh, aber ich möchte, dass man mit dem Osten anständig umgeht."
Erst gerade neulich habe ich mich - wieder einmal - arg fremdgeschämt. Warum müssen denn (manche) Ostdeutsche, die im Fernsehen was zur Problematik Ost-West oder wozu auch immer sagen oder zu sagen haben, entweder furchtbar sächseln oder absoluten Blödsinn von sich geben oder schlimmstenfalls sogar beides in Kombination? (Das erinnert mich an einen Satz zu Schulzeiten: "Red mal DDR-lerisch!")
Was mich heute stört? Wenn mir beim Klassentreffen (im Westen) gesagt wird, ich sei in meine Heimat zurückgegangen (nein, bin ich nicht, dazwischen liegen mehr als 100 km), wenn mir andere stolz erzählen, sie seien auch schon mal im Osten gewesen (schön für sie, ich war auch schon mal im Westen, und weiter?), wenn mir ehemalige Mitschüler erzählen, dass sie vor ein paar Wochen oder Monaten auch schon mal hier in der Stadt waren und dass es hier doch "echt schön" sei. Ja, warum auch nicht? Immerhin liegen doch schon 20 Jahre dazwischen. Auf der einen Seite "schon", auf der anderen Seite "erst". Wenn Pi-mal-Daumen-30jährige die Unterschiede noch so betonen oder es herausstellen, den anderen Teil des Landes schon mal besucht zu haben, dann wird es wohl noch sehr lange dauern, bis es keine empfundene Teilung zwischen Ost und West mehr gibt. Leider.
2 Kommentare:
Du hast die Problematik sehr einfühlsam und treffend beschrieben. Ich wünschte, es hätte in den Medien auch solche Kommentare zum 20. Jahrestag des Mauerfalls gegeben!!!
Wow, schön und treffend geschrieben. Ich sehe das alles auch so. Aber du bist 10 Jahre jünger als ich.
Ich denke immer noch an den Mauerfall mit Gänssehaut zurück, so etwas Unvorstellbares ist geschehen.
Ja, und die MAuer in den Köpfen, ob die je weg gehen wird.
Liebe Grüße Anni aus Sachsen
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